Jeder kann ein Gesichtsversteher werden!

Mimik deuten - Menschen verstehern

Der Ausdruck der Mimik ist einer der am besten erforschten Bereiche der Körpersprache. Hier erfahren Sie Fakten zum Themengebiet "Gesichter und Mimik lesen und verstehen" und meine persönliche Arbeitsweise und inhaltliche Ausrichtung. Die Basis bilden immer wissenschafltiche Grundlagen, die journalistisch, unterhaltsam und lebensnah in Vorträgen, Büchern und Coachings verwendet werden. Esoterische und pseudowissenschaftliche Herangehensweisen lehne ich ab. Bitte machen Sie sich ein eigenes Bild über die Fakten des Gesichter verstehens. Dabei verweise ich insbesondere auf die im vierten Bereich von mir ausgewählte wissenschaftliche Studienlage:

Da lohnt sich ein differenzierter Blick: Es gibt verschiedene Varianten des „Gesichter Lesens“ und des „Gesichter Verstehens“. Das ergibt sich aus der Geschichte des Gesichterlesens. Sehr altertümliche Formen aus dem chinesischen Raum, wie etwa Siang Mien sind sehr nahe an der Esoterik und damit eher eine „Glaubensfrage“. Die „Physiognomie“, die ihren Ursprung in Deutschland hat, ist erwiesenermaßen, wie auch in meinem Buch zu lesen, Unfug. Die moderne Mimikanalyse hingegen ist seit Jahrzehnten sehr gut wissenschaftlich erforscht.

In erster Linie handelt es sich um eine nonverbale Form der Kommunikation, die in diesem Fall auf in Studien nachgewiesenen Bewegungsmustern im Gesicht, in unserer Mimik, basiert. Gesichter zu lesen ist dabei nur die erste Form der Wahrnehmung und meint das Erkennen dieser Bewegungsmuster. Der zweite Bereich, Gesichter verstehen, weist diesen Mustern spezielle Emotionen zu.

Die Ursprünge des Gesichterlesens und -verstehens sind jahrtausendealt. Im Folgenden werden die drei wichtigsten Strömungen aufgeschlüsselt:


Siang Mien:

In China wurde bereits vor mehr als 2.000 Jahren Siang Mien als Gesichtslesetechnik genutzt, meist von taoistischen Mönchen. Die Technik ist nach wie vor in China populär, seit einiger Zeit auch in Teilen Europas. Neben den Chinesen waren auch die Griechen mit dieser Technik vertraut. Hippokrates von Kos verfasste dazu einige Texte. Die Technik beruht jedoch nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auf Erfahrungswerten und wird dem esoterischen Bereich zugeordnet.


Physiognomie:

Der Arzt und Anatom Franz Joseph Gall (1758–1828) legte den Grundstein für diese Technik. Im Ursprung wurden dabei Köpfe, Nasen, Schädelformen vermessen, um damit bestimmte Charaktermerkmale festzustellen. Eine hervorstehende Stirn wird häufig als Zeichen für Intelligenz und Führungsstärke beschrieben, auch spricht man in dieser „Lehre“ beispielsweise von einer „Psychologennase“ für besonders neugierige Menschen. Diese völlig unwissenschaftliche Methode wurde, wahrscheinlich auch aufgrund ihrer Beliebigkeit, in der Ideologie der 1930er-Jahre missbraucht.


Wissenschaftliche Mimikanalyse

Der wissenschaftliche Ansatz des „Gesichterlesens“ ist auf englischen Naturforscher Charles Darwin zurückzuführen. Er beobachtete, dass sich die Gesichtsausdrücke das Menschen sehr schnell verändern – und dabei die empfundenen Emotionen widerspiegeln. Das passiert selbst dann, wenn die auftretende Emotion unbewusst verdrängt wird.

Ein geschulter Mensch kann Bewegungsmuster der 43 Gesichtsmuskeln erkennen, bewerten und anschließend danach handeln.

So können Absichten und Gefühle, die ein Gesicht anhand dieser Muster offenbart, bewusst erkannt werden.

Aus diesen Erkenntnissen entwickelte sich die moderne, wissenschaftlich fundierte Gesichtsanalyse.

Hier werden nicht konkret Gesichter bewertet, sondern anhand bestimmter Bewegungsmuster emotionale Veränderungen wahrgenommen und beschrieben.

Dieser Teil der Gesichtsforschung wird bis heute stetig weiterentwickelt. So gibt es zahlreiche wissenschaftliche Studien zu diesem Bereich der analytischen Mimikforschung.


Der Bereich der Mimik wird seit Jahrzehnten international erforscht. Nach einer „Hochphase“ in den 70er- und 80er-Jahren, die maßgeblich – u.a. dank der Bereitstellung massiver Forschungsgelder – durch die „Galionsfigur“ Prof. Dr. Paul Ekman geprägt war, hat sich das Bild in den letzten Jahrzehnten differenziert. An vielen in- und ausländischen Universitäten werden immer wieder Einzelstudien und Forschungen veröffentlicht. Die Grundlagen wurden in den 70er-, 80er- und 90er-Jahren gelegt. Eine interessante neue Studie stammt aus Deutschland, von der Universität in Bonn aus dem Jahr 2014. Ein Team von Wissenschaftlern fand mit Hilfe von 142 Probanden heraus, dass die Emotionserkennungsfähigkeit das Jahreseinkommen positiv beeinflusst!

In den letzten Jahren wurde die klassische, psychologische Forschung immer mehr von neurowissenschaftlichen Aspekten der Mimik durchdrungen. Hier ein Überblick über die Studienlage (Auszug):


Studienlage:


A


Adams Jr., R. B., & Nelson, A. J. (2016). Eye Behavior and Gaze. In D. Matsumoto, H. C. Hwang, & M. G. Frank (Eds.), APA Handbook of Nonverbal Communication (pp. 335-362). Washington, DC: American Psychological Association.


Akechi, H., Senju, A., Uibo, H., Kikuchi, Y., Hasegawa, T., & Hietanen, J. K. (2013). Attention to eye contact in the West and East: autonomic responses and evaluative ratings. PLOS ONE, 8(3), e59312.


Andréasson, P. (2010). Emotional Empathy, Facial Reactions, and Facial Feedback. (58 Doctoral thesis, comprehensive summary), Acta Universitatis Upsaliensis, Uppsala. Retrieved from http://urn.kb.se/resolve?urn=urn:nbn:se:uu:diva-126825 DiVA database.


Ansfield, M. E. (2007). Smiling when distressed: when a smile is a frown turned upside down. Pers Soc Psychol Bull, 33(6), 763-775. doi:10.1177/0146167206297398


Arciuli, J., Mallard, D., & Villar, G. (2010). “Um, I can tell you're lying”: Linguistic markers of deception versus truth-telling in speech. Applied Psycholinguistics, 31(3), 397-411.


Argyle, M., & Dean, J. (1965). Eye-contact, distance and affiliation. Sociometry, 28(3), 289-304.


Arya, A., Jefferies, L., Enns, J., & Dipaola, S. (2006). Facial actions as visual cues for personality: Research Articles (Vol. 17).


Aviezer, H., Trope, Y., & Todorov, A. (2012). Body Cues, Not Facial Expressions, Discriminate Between Intense Positive and Negative Emotions. Science, 338(6111), 1225-1229. doi:10.1126/science.1224313 A



B


Barbato, G., della Monica, C., Costanzo, A., & De Padova, V. (2012). Dopamine activation in Neuroticism as measured by spontaneous eye blink rate. Physiology & Behavior, 105(2), 332- 336. doi: https://doi.org/10.1016/j.physbeh.2011.08.004


Bayle, D. J., Schoendorff, B., Henaff, M. A., & Krolak-Salmon, P. (2011). Emotional facial expression detection in the peripheral visual field. PLOS ONE, 6(6), e21584. doi:10.1371/journal.pone.0021584 BBC. (2006, 03.07.2006). Rooney 'gobsmacked' by red card. Retrieved from http://news.bbc.co.uk/sport2/hi/football/world_cup_2006/5141510.stm


Bevacqua, E., Heylen, D., Pelachaud, C., & Tellier, M. (2007). Facial feedback signals for ECAs. Paper presented at the AISB.


Biassoni, F., Balzarotti, S., Giamporcaro, M., & Ciceri, R. (2016). Hot or Cold Anger? Verbal and Vocal Expression of Anger While Driving in a Simulated Anger-Provoking Scenario. SAGE Open, 6(3). doi:10.1177/2158244016658084


Bijleveld, E., Custers, R., & Aarts, H. (2009). The unconscious eye opener: pupil dilation reveals strategic recruitment of resources upon presentation of subliminal reward cues. Psychological Science, 20(11), 1313-1315. doi:10.1111/j.1467-9280.2009.02443.x


Bitti, P. E. R., Bonfiglioli, L., Melani, P., Caterina, R., & Garotti, P. (2014). Expression and communication of doubt/uncertainty through facial expression. Ricerche di Pedagogia e Didattica. Journal of Theories and Research in Education, 9(1), 159-177.


Blair, R. J. (2012). Considering anger from a cognitive neuroscience perspective. Wiley Interdiscip Rev Cogn Sci, 3(1), 65-74. doi:10.1002/wcs.154


Bodenhausen, G. V., Sheppard, L. A., & Kramer, G. P. (1994). Negative affect and social judgement: the differential impact of anger and sadness. European Journal of Social Psychology, 24(1), 45-62.


Boecker, L., Likowski, K. U., Pauli, P., & Weyers, P. (2015). The face of schadenfreude: Differentiation of joy and schadenfreude by electromyography. Cogn Emot, 29(6), 1117-1125. doi:10.1080/02699931.2014.966063


Weitere Studien zum Thema Mimik ...

Gesichter kann jeder analysieren? Da täuscht uns leider unser Empfinden.

Nur etwa 60 Prozent der Gesichtsausdrücke werden richtig erkannt und folgerichtig interpretiert. Dieses Phänomen ist auch bekannt als das „Gesichter-Paradox“ – wir meinen, etwas zu wissen, die Praxis zeigt jedoch etwas anderes. Das bedeutet: Nahezu jeder zweite Gesichtsausdruck wird entweder übersehen, nicht wahrgenommen oder falsch interpretiert. In unserer Mimik spiegeln sich jedoch unsere Emotionen. Das Erkennen (Gesichter lesen) und richtige Interpretieren (Gesichter verstehen) von emotionalen Zuständen ist gleichwohl Grundvoraussetzung für eine gelungene Kommunikation und Empathie. Häufig legen wir in unserer technikbasierten Welt mehr und mehr Wert auf distanzierte Kommunikation – nutzen beispielsweise das Handy während des Essens – weshalb unsere Wahrnehmung und Empathie mehr und mehr verarmt.

Positiv ist jedoch: Die Fähigkeit, Gesichter zu lesen und zu verstehen ist trainierbar wie ein Muskel!


Eine ganze Menge! Schließlich hat unsere Mimik als nonverbaler Teil der Sprache einen „Vorsprung“ von mehreren hunderttausend Jahren! Wissenschaftler schätzen, dass es zunächst nur wenige Laute waren, mit denen sich unsere Vorfahren verständigten. Der Zischlaut „Tschik Pol“ soll wohl einer davon gewesen sein – natürlich ist dieser weit entfernt von unserer heutigen, differenzierten Sprache und Ausdrucksweise. Die nonverbale Mimik hatte also sehr weit vor unserer verbalen Kommunikation Zeit, sich zu entwickeln und auszudifferenzieren. Und immer noch nehmen wir die nonverbalen Signale sehr stark unterbewusst wahr. Die Mimikanalyse macht diese unterbewussten Anteile sichtbar. Im Buch „Der Gesichtsversteher“ ist für die frühzeitlichen Anteile daher übrigens ULF – der vermutlich sensibelste Steinzeitmensch der Welt – verantwortlich.

Die kulturelle Evolution zeigt sich anhand der Sprache. Während in längst vergangenen Zeiten das „Be-greifen“ ein mit der Hand durchgeführter, also „handwerklicher“ Vorgang des Greifens war, wurde er immer mehr zum rein gedanklichen, kognitiven Begriff, im Sinne von „Begreifen“ eines Gedankens, einer Idee. Das ist auch bei der kulturellen Evolution des Gesichtes passiert. Mimische Ausdrücke und kurze, unbewusste und oft unbemerkte, spezielle Bewegungsmuster haben ebenfalls eine Evolution durchlaufen. Zum Beispiel war in frühen Menschheitsstadien das Bewegungsmuster „Ekel“ ein auf lebensbedrohliche Stoffe bezogenes Bewegungsmuster, im Sinne der Ablehnung eines lebensbedrohlichen Stoffes. Über viele, möglicherweise hunderttausende von Jahren, hat sich der Bezugspunkt dieses Bewegungsmusters heute auf die Ablehnung von Ideen, Meinungen oder gar Menschen verschoben.

Das Wissen um die kulturelle und ästhetische Evolution ist in unserer kulturell hochtechnisierten Welt wertvoller als jemals zuvor und manchmal in unserem Beziehungs- oder Büroalltag lebensnotwendig. Oft achten Menschen nahezu ausschließlich auf Worte und die Sprache und ignorieren dabei – bewusst oder unbewusst – die wichtigen nonverbalen Signale des Gesichtes.

Der Königsweg liegt in der Tiefe der Wahrnehmung. Die evolutionären Anteile, unsere über viele Jahrhunderte spezialisierte Mimik, wird immer weniger beachtet. Der Mehrwert in der Kommunikation liegt darin, sie wieder auf das Steinzeitniveau zu bringen. Das bedeutet: So intensiv wahrzunehmen, wie es die Menschen im vor-sprachlichen Zeitalter getan haben. Steinzeitmensch ULF lässt grüßen! Das ist der Prozess der Wahrnehmung, dann geht es in einem nächsten Schritt um die „Hot Spots“: Wo passen die wahrgenommenen, nonverbalen Signale nicht mit den verbalen, also den Worten, zusammen? Diese Bereiche nennt man „Hot Spots“. Diesen gilt es nachzugehen. Hier beginnt die Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit und der Menschenkenntnis in sozialen Interaktionen, Gesprächen etc.

Der Gesichtsversteher

„Zeigt Gesicht“, „Der Mann ohne Gesicht – Wladimir Putin“, „Gesichter des Lebens – Lehrbuch Ethik“, „Ein Gesicht in der Menge“, „Die Frau mit zwei Gesichtern“, „Die Insel mit den 1000 Gesichtern“, „Wie viele Gesichter hat die Angst?“, „Keiner blickt dir hinter das Gesicht“, „Die zwei Gesichter des Januars“, „Das Gesicht der Wahrheit“ und nicht zuletzt „Der Gesichtsversteher“.


Dem Gesicht schreibt man viel Dinge zu – in den oben genannten Buchtiteln aus verschiedenen Genres kommt es deutlich zur Geltung: Vielfalt, Genauigkeit, Wahrheit, Unnahbarkeit, Persönlichkeit, Charakter und vieles mehr.

Im folgenden Video gebe ich Ihnen einen kleinen Einblick, welche drei Dinge für mich am Anfang beim Analysieren von Gesichtern besonders wichtig waren. Es hilft Ihnen, Ihre Wahrnehmung in Bezug auf die nonverbalen Bewegungsmuster zu schärfen:

Muskelkraft – Die Gesichtsautobahn direkt ins Zentrum des Gehirns

Die Gesichtsmuskeln werden auch als mimische Muskulatur bezeichnet. Der Grund ist klar – sie sind zuständig für die Bewegungen unseres Gesichts und damit für unseren Emotionsausdruck. Da das menschliche Gesicht in der Regel achsensymmetrisch ist, existiert fast jeder der Gesichtsmuskeln zweimal. Die Weiterleitung und Verarbeitung von Reizen der Gesichtsmuskulatur erfolgt über den siebten Hirnnerv, den Nervus facialis. Und wie hilft das bei der Mimikanalyse?

Die Mimik zeigt unsere Gefühle – und das nahezu unzensiert.

Neurowissenschaftler haben Nervenstränge gefunden, die direkt von unserer Gesichtsmuskulatur in das emotionsverarbeitende System unseres Gehirns führen – quasi eine „Datenautobahn der Gefühle“. Und da eine Autobahn in der Regel keine Ampeln hat, funktioniert das unheimlich schnell und ohne einen Stopp. Unsere „Gefühlsdaten“ rauschen nahezu ohne Kontrolle in Sekundenbruchteilen in unser limbisches System – ein System unseres Gehirns, dass sich aus mehreren Bereichen zusammensetzt, unter anderem aus dem Hippocampus und der Amygdala, die für unsere Emotionen zuständig sind. Je stärker die Mimik, desto aktiver das limbische System. Darin liegt auch der Ursprung der Redewendung: „In dir/mir kann man lesen wie in einem offenen Buch.“ Unsere Gefühle zeigen sich auf unserem Gesicht!

Wir können also über unsere Muskulatur zum Teil ganz bewusst unser Befinden steuern!

Gerne wird das für Studien der Mimik genutzt:

  • Zygomaticus major und Risorius-Muskel werden bei guter Laune aktiviert
  • Orbicularis oris und Corrugator-Muskel werden bei schlechter Laune aktiviert

So gibt es zahlreiche Kombinationen, die durch Bewegungsmuster im Gesicht für den Gesprächspartner erkennbar werden. Diese werden in der Mimikanalyse genutzt, um in Gesichtern zu lesen und Gesichter zu verstehen – so wie bei einem guten Buch!

Übrigens beschäftigen sich nicht nur viele Buchtitel mit dem Thema „Gesicht“ – auch im Bereich der Aphorismen und Weisheiten gibt es unzählige Worte, Sätze und Redewendungen für das, was man dem Gesicht zuschreibt. Hier einige Beispiele im Wechsel:

„Auch das Gesicht schickt Smileys, die nicht jeder sofort versteht.“
(Gesehen auf You Tube)
„Der Mensch kann mit dem Mund so viel lügen wie er will – mit dem Gesicht das er macht, sagt er stets die Wahrheit.„
(Friedrich Wilhelm Nietzsche)
„Wer sein Gesicht wahrt, zeigt nicht sein wahres Gesicht.“
(Prof. Dr. med. Uhlenbruck)
„Die unterhaltsamste Fläche auf der Erde für uns ist die vom menschlichen Gesicht.“
(Georg Christoph Lichtenberg)
„Was im Herzen brennt, man im Gesicht erkennt“
(Sprichwort)